Was heißt Prozessrisiko?
Das Risiko, einen Prozess zu gewinnen oder zu verlieren, hängt in der Regel von mehreren Faktoren ab. Im Grunde geht es um die Berechnung einer Eintrittswahrscheinlichkeit (Risikoberechnung). Dabei ist zu beachten, dass selbst eine hohe Wahrscheinlichkeit, einen Prozess zu gewinnen, nicht gleichzusetzen ist, mit absoluter Sicherheit.
Beispiel Wettervorhersage: Zu 90 % wird es morgen einen sonnigen Tag geben. Tatsächlich regnet es. Die Wettervorhersage war nicht falsch, sondern es hat sich das Restrisiko von 10 % realisiert, dass es regnen wird.
Beispiel Arzthaftung / Zahnarzthaftung
In einem (Zahn-)Arzthaftungsfall muss ein Patient, dessen Gesundheit sich unter ärztlicher Behandlung verschlechtert und dieser vermutet, dass der eingetretene Schaden auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen ist, trägt der Patient die Beweislast für diesen Behandlungsfehler und dafür, dass der eingetretene Schaden auf diesen Fehler zurückzuführen ist. Für Arzthaftungsverfahren ist typish, dass die Tatsachenfeststellungen und die Beweislage oft schwierig ist. Grundsätzlich trägt der Patient die Beweislast, jedoch gibt es ein von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entwickeltes System an Beweiserleichterungen bis hin zur Umkehr der Beweislast. So dauern Arzthaftungsverfahren durchschnittlich 2 Jahre. Die Qualität des Urteils hängt in der Regel von der Güte des Sachverständigengutachtens ab. Durch ein solches Verfahren wird die Patienten-Arzt-Beziehung zerstört.
Diese Aspekte sind bei der Kalkulation eines Prozessrisikos zu berücksichtigen. Gefordertes Schmerzensgeld und geforderter Schadensersatz: 30.000 €
Unterstellt werden folgende Wahrscheinlichkeiten, in einem Prozess zu obsiegen:
Beweis eines einfachen Behandlungssfehlers: 70 %
Beweis der Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers für den eingetretenen Schaden: 50 %
Das hört sich erst einmal positiv an, es besteht eine Wahrscheinlichkeit von 70 %, dass ein einfacher Behandlungsfehler bewiesen werden kann. Ein Patient hat den Prozess aber an dieser Stelle, also nachdem es ihm gelungen ist, einen Behandlungsfehler zu beweisen, noch nicht gewonnen, da er grundsätzlich auch die Ursächlichkeit des Behandlungsfehlers beweisen muss für den bei ihm eingetretenen Schaden beweisen muss. Diese Wahrscheinlichkeit soll hier 50 % betragen. Ausnahmen der Beweiserleichterungen oder Beweislastumkehr lassen wir hier unberücksichtigt.
Die Wahrscheinlichkeit, eine Prozess in dieser Konstellation zu gewinnen, beträgt 0,7 x 0,5 = 0,35, also 35 %. Kommen weitere Faktoren hinzu, wie zum Beispiel ein Problem hinsichtlich der Verjährung, reduziert sich die Wahrscheinlichkeit weiter.